Das autobiografische Werk

„Die Geschichte meiner Schriftstellerei ist die Geschichte meiner Stoffe, Stoffe jedoch sind verwandelte Eindrücke." - Mit diesen Worten aus dem kurzen autobiografischen Text „Dokument" (1964) eröffnete Friedrich Dürrenmatt eine Fragestellung, mit der er sich bis zum Ende seines Lebens immer wieder beschäftigen sollte: Wie hängen die literarischen Stoffe und Motive mit dem eigenen Leben zusammen, wie arbeitet die Phantasie?

Im Text „Dokument" gibt der Autor eine Schilderung seiner Kindheit im Emmentaler Dorf Konolfingen und zeigt auf, dass bereits da Motive wie die Höhle und das Labyrinth ihre Wurzeln haben. Doch auch die Beschäftigung mit Astronomie, mit griechischer Mythologie und biblischen Stoffen setzt bereits in der frühen Kindheit ein.

Dürrenmatt hat die Darstellung seines Lebens - insbesondere die Kindheit im Emmental sowie seine Jugend und die Zeit des Studiums in Bern - in den zwei Bänden der „Stoffe" festgehalten: „Labyrinth: Stoffe I-III" (1981/1990) und „Turmbau: Stoffe IV-IX" (1990). Zugleich verbindet er die autobiografische Darstellung mit der Rekonstruktion von alten Stoffen, die er damals nicht ausgeführt hatte und nachträglich skizzenhaft (z.B. „Stoffe III: Der Rebell") oder ausführlich (z.B. „Stoffe I: Der Winterkrieg in Tibet") ausarbeitet.

Hinter den publizierten Texten der „Stoffe" verborgen liegen über 20'000 Manuskriptseiten in Dürrenmatts Nachlass. Die publizierten zwei Bände bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs eines Schreibprozesses, der sich mit Unterbrüchen über 20 Jahre hinzog und zu immer neuen Verzweigungen führte.

Auch zahlreiche essayistische Texte aus den 1970er und 1980er Jahren müssen im Kontext des „Stoffe"-Projekts gesehen werden und enthalten autobiografische Passagen, so insbesondere „Der Mitmacher. Ein Komplex" (1976) und „Zusammenhänge: Essay über Israel" (1975).

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